Monat: Januar 2009

2. Planungstreffen: Aktionstage gegen Sexismus und Homophobie

Einladung zum 2. Planungstreffen der Aktionstage gegen Sexismus und Homophobie

Montag 09. Februar, 16 Uhr

im SchwuR (AStA-Galerie Raum C1-180)

Vom 4.-8. Mai 2009 findet in Bielefeld zum dritten Mal die Kampagne “Kein Sexismus an Hochschulen!” statt. In einem Mix aus Politik, Kultur und unterschiedlichsten Aktionen soll das Thema “(Anti-) Sexismus” nicht nur an Hochschulen eine Woche lang in all seinen Facetten kritisch beleuchtet werden. Für die Planung und Durchführung suchen wir dich und deine Ideen. Infoveranstaltungen, Ausstellungen, Diskussionen, Kulturprogramm… Aktionen aller Art sind möglich.

Interessiert?

Komm unverbindlich zum Planungstreffen am 19. Januar oder melde dich per Mail: gleichstellung@asta-bielefeld.de

Schwule Filmtage Bielefeld 2009

Vom 28. Mai bis 03. Juni werden die 12. Schwulen Filmtage Bielefeld stattfinden.

Dafür bitten wir um Eure Anregungen. Die Filme können jenseits des Mainstream liegen. Insbesondere sind auch Kurzfilme gefragt.

In der Diskussion:

  • An Englishman in New York, USA, UK 2008, Regie: Richard Laxton
  • Between Something and Nothing, USA 2008, 108 Min., Regie: Todd Verow
  • Derek (Dokumentarfilm), UK 2008, 76 Min., Regie: Isaac Julien
  • Dream Boy, USA 2008, 86 Min., Regie: James Bolton
  • Hatsu-koi, Japan 2007, 96 Min.. Regie: Koichi Imaizumi
  • Jerusalem is Proud to Present (Dokumentarfilm), Israel 2007, 82 Min.,  OmeU, Regie: Nitzan Gilady
  • Mannen som elsket Yngve (Der Mann, der Yngve liebte), Norwegen 2008, 98 Min., OmdU, Regie:  Stian Kristiansen
  • Milk, USA 2008, Regie: Gus Van Sant
  • Quemar Las Naves ( Burn the Bridges), Mexiko 2007, 105 Min., OmdU, Regie: Francisco Franco
  • Sebastiane, UK 1976, 85 Min., Regie: Derek Jarman, Paul Humfress
  • Shelter, USA 2007, 90 Min., Regie: Jonah Markowitz
  • The Houseboy, USA 207, 81 Min., Regie: Spencer Schilly
  • Were the World Mine, USA 2008, 92 Min., Regie: Thomas Gustafson
  • Freunde, die du hast,  D 2008, 12 Min., Regie: Haik Büchsenschuss
  • Hallelujah!, D 2006, 5 Min., Regie: Jochen Hick
  • Kingz of Berlin, D 2006, 11 Min. Regie: Valesca Peters
  • Traurige Jungs tanzen, wenn niemand hinsieht, Schweiz 2007, 17 Min., Regie: Lisa Blatter, Simon Steuri

Noch könnt Ihr die Zusammenstellung beeinflussen!

Das genaue Programm geben wir rechtzeitig bekannt.

Filmbeschreibungen, Trailer, Aktualisierungen und weitere Infos

Homophobie als gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit

Vortrag von Andreas Zick, Bielefeld

Do, 22.01.2009, 18 h c.t., Uni Bielefeld, UHG, Hörsaal 9

Seit dem Jahr 2002 werden in der Studie „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ (GMF) jährlich repräsentative Stichproben der deutschen Bevölkerung über die Einstellungen gegenüber einer Reihe Gruppen erhoben, die gesellschaftlich als schwach markiert sind (vgl. jährlichen Ergebnisse in „Deutsche Zustände“, Suhrkamp, hrsg. von W. Heitmeyer). Angenommen wird, dass die Abwertung und Ausgrenzung von unterschiedlichen schwachen Gruppen Elemente eines gemeinsamen GMF-Syndroms bilden, dessen Kern eine Ideologie der Ungleichwertigkeit bildet. In der bisherigen Konzeption des Einstellungssyndroms sind neun Elemente (Vorurteile) enthalten: Rassismus, Sexismus, Fremdenfeindlichkeit, Feindseligkeiten gegenüber dem Islam und Muslimen, Antisemitismus, die Betonung von Etabliertenvorrechten, sowie die Abwertung von Obdachlosen, Langzeitarbeitslosen, Behinderten sowie die Abwertung von Menschen mit homosexueller Orientierung (Homophobie). Die Langzeitstudie prüft den Zusammenhang dieser Elemente der Menschenfeindlichkeit, verfolgt ihre Entwicklung und analysiert mögliche Ursachen und Konsequenzen. Die Abwertung von Homosexuellen lässt sich wie die Abwertung anderer Gruppen als negative Einstellungen von Gruppen gegenüber Gruppen, und damit der Definition nach als Vorurteil definieren. Ein besonderer Aspekt, der in den Vorurteilen gegenüber diesen Gruppen eine Rolle spielt ist nicht nur, dass sie Subgruppen der Mehrheitsgesellschaft sind, sondern auch die Unterstellung einer Normabweichung. Homophobie markiert zugleich eine Ideologie der Nicht-Normalität.

Der Vortrag wird Entwicklungen der Feindseligkeit gegenüber Homosexuellen zeigen, ausgewählten Ursachen nachgehen und Fragen zur Diskussion stellen: Wie entwickeln sich die negativen Einstellungen der deutschen Mehrheitsgesellschaft gegenüber Homosexuellen? Was bedeutet es, dass Homophobie Element einer Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit ist? Als eine wesentliche Ursache der Homophobie werden mikro- und makro-soziale Faktoren untersucht. Es wird gefragt, inwieweit sozio-strukturelle Faktoren (Lebensbedingungen) Homophobie erzeugen oder blockieren, und wie diese im Zusammenhang zu individuellen Mentalitäten stehen. Die Homophobie wird dabei auch als sich selbst legitimierende Ideologie betrachtet, die der Dominanz von Mehrheitsgruppen dient, die versuchen, Normalitäten zu diktieren. Dabei sind auch andere politische Ideologien wie der Konservatismus, Autoritarismus und der Populismus genauer zu betrachten.
Andreas Zick, geb. 1962, ist Professor für Sozialisation und Konfliktforschung an Universität Biele­feld mit einem Schwergewicht auf Forschungen zur Psychologie von Vorurteilen, Rechtsextremismus und Antisemitismus.

„Schwule sind voll eklig“ – Homosexuellenfeindliche Einstellungen bei Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund

Projektwoche vom 13. – 22. Januar 2009

Schon seit längerer Zeit ist zu beobachten, dass das Wort „schwul“ unter SchülerInnen oder Jugendli­chen allgemein zum Synonym für „schlecht“, „mies“, „unangenehm“, „ekelhaft“ etc. geworden ist. Dies hat u.a. zu der Frage geführt, ob dem entsprechende Einstellungen zum Phänomen Homosexua­lität korrespondieren.

Im Jahre 2008 veröffentlichte Bernd Simon (Christian-Albrecht-Universität Kiel) die Ergebnisse einer im Auftrag des Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland (LSVD) erstellten Studie “Einstel­lung zur Homosexualität: Ausprägungen und sozialpsychologische Korrelate bei Jugendli­chen mit und ohne Migrationshintergrund“. Diese offenbarte ein beachtliches Ekelpotiential bei di­rekter Kon­frontation mit männlicher Homosexualität insbesondere durch sich küssende Männer. Da­bei er­gaben sich deutliche Zusammenhänge zwischen dem Ablehnungsgrad und kulturellem sowie religi­ösem Hintergrund, wobei dir Differenzen zwischen männlichen und weiblichen Befragten noch er­heblich deutlicher ausfallen und offenbar auch auffallende Unterschiede zwischen Schwulen und Lesben ge­macht werden.

Auf der anderen Seite ist in der schwulen „Szene“ oder „Community“ eine Diskussion entstanden, die zunehmende Ressentiments gegenüber „Migranten“ deutlich werden lässt (gemeint ist natürlich fast immer ein türkischer oder russlanddeutscher Hintergrund), gespeist aus Gewaltängsten, der Befürch­tung, u.a. im Rahmen des demografischen Wandels könnten vermeintlich oder tatsächlich erreichte Akzeptanzstandards durch diese Gruppen wieder in Frage gestellt werden, und einer Islamophobie, die sich im Zuge des „Kriegs gegen den Terror“ verstärkt zu haben scheint.

Im Rahmen einer Projektwoche wollen das Autonome Schwulenreferat der Uni Bielefeld, die GEW Bielefeld, und das Oberstufenkolleg NRW an der Uni Bielefeld eine Informations– und Diskussions­plattform zu diesem Themenfeld bieten. Das Angebot richtet sich neben allgemein Interessierten und Universitätsöffentlichkeit insbesondere auch an Studierende der Pädagogik sowie an Lehrpersonal, das im Unterricht mit Homophobie konfrontiert wird.

Vorträge:

  • 13.01.2009, 19 h, UHG, Hörsaal 2,  Georg Klauda (Berlin): Die Vertreibung aus dem Serail,   Europa und Heteronormalisierung der islamischen Welt (zugleich  Präsentation des im Herbst 2008 im Männerschwarm-Verlag,                 Hamburg, erschienenen gleichnamigen Buches)
  • 15.01.2009, 18h, OS, Feld 2, Bernd Simon (Kiel): Einstellungen zur Homosexualität –  Ausprägungen und psychologische Korrelate bei Jugendlichen mit   und ohne Migrationshintergrund (ehemalige UdSSR und  Türkei) (veröffentlicht in der  Zeitschrift fürEntwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, 40, 87-99)
  • 22.01.2009, 18 h UHG, Hörsaal 9, Andreas Zick (Bielefeld): Homophobie als gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit

Georg Klauda, geb. 1974 in der Nähe von Bamberg, studierte Soziologie, Neuere Geschichte und Linguistik in Erlangen und Berlin. In den 90er Jahren engagierte er sich als Schwulenreferent im AStA der Freien Universität und beteiligte sich an der Gründung der Zeitschrift “Gigi”. Heute publi­ziert der Diplomsoziologe in Zeitschriften wie “Phase 2”, “Arranca”, “Inamo” und “MRZine” über The­men wie Homophobie, Rassismus und Islamophobie.

Bernd Simon, ist Professor für Sozialpsychologie und Evaluation am Institut für Psychologie der Christian-Albrechts-Universität Kiel mit den Schwerpunkten Identität, Gruppenprozesse, Macht, so­ziale und politische Bewegungen.

Andreas Zick, geb. 1962, ist Professor für Sozialisation und Konfliktforschung an Universität Biele­feld mit einem Schwergewicht auf Forschungen zur Psychologie von Vorurteilen, Rechtsextremismus und Antisemitismus

Oberstufenkolleg BielefeldGEW Bielefeldschwur


Film | Der Jakubijân-Bau

Der Jakubijan-Bau
Die Armen wohnen oben, auf dem Dach, in kleinen Kabüffchen, die ursprünglich als Abstellkammern konzipiert waren. In den Stockwerken darunter geht es weniger knapp zu. Dort hat ein durch die Revolution von 1952 teilenteigneter Grundbesitzer sein Büro mitsamt Liebesnest, ein Chefredakteur seine Wohnung, ein Neureicher das Domizil für seine Zweitfrau, und viele Ungenannte ihr ganz normales Zuhause. Auf vielfältige Weise verweben sich die Leben der Bewohner. Das Haus wird zum Mikrokosmos für Ägypten.

Alaa al-Aswanis Roman stellt vieles dar, was es in Ägypten gibt, worüber aber nicht häufig – und eigentlich nie in dieser Direktheit – gesprochen wird. Da kommt der junge Mann nicht an die Polizeischule, weil sein Vater nur Türhüter ist. Da hält sich der wohlhabende Journalist einen armen Oberägypter als Bettgenossen. Da predigt der eine Geistliche für die Regierungspolitik, der andere für den Terror. Da bereichern sich manche schamlos mit den zweifelhaftesten Geschäften. Da wird das junge Mädchen, die für ihre Familie sorgen muss, von allen Arbeitgebern systematisch belästigt. Da träumt der ehemalige Aristokrat von vorrevolutionären, besseren Zeiten. Da wird im Bereich der Politik geschmiert, geschnüffelt und gefoltert. Da wird eben das tägliche Leben Ägyptens gezeigt.

Das Buch hat für Aufregung gesorgt. Es ist in Ägypten, Frankreich und Italien zum Bestseller geworden, besonders nach seiner Verfilmung. Der Film wurde an den Festivals von Berlin, Cannes, New York gezeigt und an den Filmfestspielen in Zürich mit dem Hauptpreis ausgezeichnet. (Verlagsangabe)

Rezension:

2005 wurde der Roman “Der Jakubijân-Bau” des ägyptischen Autors Alaa al-Aswani verfilmt. Der Streifen war die bisher teuerste ägyptische Filmproduktion und wurde zum Kassenschlager, das Buch im Anschluss zum Bestseller. Al-Aswani rührt an viele Tabus der ägyptischen Gesellschaft wie korrupte Politik, geheuchelte Sexualmoral, alltägliche Gewalt und Klassenschranken. Nun liegt das Buch auf Deutsch vor.

“Gerade hundert Meter trennen die Behlerpassage, an der Saki Bey al-Dassûki wohnt, vom Jakubijân-Bau, in dem sein Büro liegt. Dennoch braucht er für diese Strecke allmorgendlich mindestens eine Stunde, muss er unterwegs doch seinen Freunden an der Straße einen guten Morgen wünschen, den Inhabern der Kleider- und Schuhläden ebenso wie den Angestellten beiderlei Geschlechts, die darin arbeiten, den Kellnern und Kinobetreibern und den Kunden im Brasilianischen Café. Sogar die Torhüter, die Schuhputzer, die Bettler und die Verkehrspolizisten werden mit einem Gruß bedacht. Saki Bey kennt sie alle beim Namen und tauscht mit ihnen ein paar freundliche Worte und ein paar Neuigkeiten aus. Saki Bey ist einer der ältesten Bewohner der Sulaimân-Pascha-Straße.”

Saki Bey wohnt seit seiner Geburt im Jakubijân-Bau im wust al-balad, dem Zentrum Kairos. Aber der ältere Herr hat schon bessere Zeiten erlebt, wie damals, in den 40er Jahren, als er nach seinem Studium in Frankreich hierher zog, in das weithin strahlende, gerade neu nach westlichem Vorbild errichtete Zentrum der Nilmetropole. Als die gesellschaftliche Elite Ägyptens, zu der der Sohn eines Ministers gehörte, gebannt war von den Ideen der Moderne und das öffentliche Leben Kairos mit seinen zahlreichen Straßencafés, Nachbars und Clubs dem in Paris in nichts nachstand und jeder Gebildete selbstverständlich Französisch und nicht Arabisch sprach. Saki Bey ist die Hauptfigur in Alaa al-Aswanis Roman “Der Jakubijân-Bau”. Bis in die triste Gegenwart lässt der Autor den elegant gekleideten, liberal denkende Bohemiens in diesem Viertel leben. Er hat den Jakubijân-Bau nicht verlassen.

“Das Jakubijân-Gebäude ist ein Fantasiegebäude. Es hat nichts mit dem realen Gebäude zu tun. Es ist eine Kategorie. Ich hatte eine eigene Idee der Innenstadt Kairos. Für mich ist es nicht nur ein Viertel, ein Stadtteil. Es ist mehr. Die Innenstadt steht für eine Epoche. Sie ist das Symbol für die Seele Ägyptens, Symbol für die traditionelle ägyptische Toleranz. Die Religion wurde hier immer tolerant und offen interpretiert. Jahrhunderte lang galten Alexandria und Kairo als kosmopolitische und offene Städte. Hier lebten Juden, Griechen, Armenier, Italiener, Ägypter. Erst Ende der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts hat sich dieses weltoffene Klima verändert.”

Saki Bey ist in Alaa al-Aswanis Roman “Der Jakubijân-Bau” jene Figur, die den Faden aus der Vergangenheit bis heute spinnt, eine Art Alter Ego des Autors, gleich al-Aswani selbst Zeuge der rasanten Veränderungsdynamik, die die ägyptische Gesellschaft bis heute in Atem hält, angefangen mit der Revolution der freien Offiziere 1956, dem arabischen Sozialismus des Gamal Abdel Nasser mit seinem panarabischen Patriotismus, prägend für die Generation des Autors. Dann die Wende unter Sadat: Plötzlich kamen die Freunde aus den USA, und die neue Elite, die so genannten fetten Katze”, plünderten mit Schlagworten wie Privatisierung und Marktöffnung das Land aus, schafften Milliarden von Dollars in nur einer Generation auf Auslandskonten. Saki Bey passte sich den Verhältnissen an, versuchte unauffällig seinen Weg zu gehen. Widerstand existierte nicht, auch nicht, als die Islamisten seit den 80er Jahren zunehmend die öffentliche Sphäre mit ihren Moral- und Wertvorstellungen zu beherrschen begannen und die Straßencafés, Alkohol ausschenkenden Bars und vor allem die Nachtclubs nach und nach schließen mussten und die Reichen und Mächtigen das Stadtzentrum verließen, nach Nasr City oder in ein anderes, modernes und geschützteres Stadtviertel zogen.

Migranten vom Land und aus dem Süden des Landes eroberten die Hauptstadt Ägyptens und besetzten jeden freien Winkel der Innenstadt. Saki Bey aber blieb. Genauso wie die von italienischen und anderen europäischen Architekten errichteten imperialen Prachtbauten in wust al balad. Auf ihren Dächern nisteten sich die neuen Bewohner samt ihren Ziegen und Hühner ein, nicht mehr gewillt, sie zu verlassen. Saki Bey überlebte auch dies und mit ihm die Vision des Autors von einer weltoffenen, toleranten und multikulturellen ägyptischen Gesellschaft.

“Das Politik in der Geschichte spielt eine zentrale Rolle und ist meine Vision von Literatur. Ich schreibe Romane nicht für einen besonderen Zweck. Aber ich bin fest davon überzeugt, das man mit Romanen leben erschafft. Ich liebe die Definition, die besagt, das Literatur das Erschaffen von Leben auf Papier bedeutet. Es ist so ähnlich wie das wirkliche Leben, aber präziser, lebhafter und schöner. Entscheidend ist, wirkliches Leben in die Literatur einzubringen und durch die Charaktere und die Dramaturgie die Literatur so zu gestalten das man jedes nur erdenkliche Thema bearbeiten und miteinander verknüpfen kann. So entsteht die Verbindung von sozialen, politischen Themen durch die Kunst, ausschließlich durch die Kunst.”

Vielleicht ist es die Erinnerung Alaa al-Aswanis an seine Kindheit, die ihn zum Roman “Der Jakubijân-Bau” inspiriert hat. Damals war der 1957 geborene Schriftsteller Schüler des französischen Lycée im Zentrum Kairos und damit Zeuge des Niedergangs jenes alten, weltoffenen Ägypten. Vielleicht ist es aber auch seine Erfahrung, als er im Jakubijân-Bau nach dem Studium der Zahnmedizin in den USA seine erste Praxis eröffnete. Das zehn Stockwerke hohe Gebäude, im Auftrag von Hagop Jakubijân, einem Millionär und Oberhaupt der armenischen Gemeinde Ägyptens, 1936 nach über zweijähriger Bauzeit fertiggestellt, hat Al-Aswani magisch angezogen. Doch wie schon Nagib Machfus in seinem berühmten Roman “Die Midaq-Gasse” nutzt auch er den realen Ort nur, um den unterschiedlichen Charakteren größtmögliche Authentizität zu verleihen. Und so gelingt Al-Aswani, eine Art Sittengemälde der heutigen ägyptischen Gesellschaft zu zeichnen. Da gibt es kleine, rücksichtlose Händler und einen großen Geschäftsmann, ein reich gewordener Drogendealer und Parlamentsabgeordneter, der seine junge Mätresse rücksichtslos ausbeutet. Da wohnt der junge Mann, der wegen seiner Herkunft nicht zum Polizeidienst zugelassen wird, und zum militanten Islamisten wird. In einer anderen Etage lebt der homosexuelle Chefredakteur, der in den Spelunken des Stadtzentrum ständig nach Befriedung sucht und von staatlicher Verfolgung bedroht ist. Auf dem Dach schließlich leben Arbeiter und kleine Angestellte, die, erst vor einer Generation nach Kairo gekommen, einen unerbittlichen Existenzkampf mit- und gegeneinander führen. Sie alle sind Teil einer Haus- und Schicksalsgemeinschaft, die unablässig darum ringt, in einer politisch und wirtschaftlich völlig korrupten ägyptischen Gesellschaft zu überleben.

“In meinem Roman spielt die Homosexualität eine entscheidende Rolle und ich musste nicht nur viel lesen über die Homosexualität in Ägypten. Ich besuchte auch viele dieser abgewrackten Bars und Treffpunkte im Zentrum. Als ich zum ersten Mal in eine dieser einfachen Kneipen ging, kam ich in eine Polizeirazzia. Der Offizier fragte nach meinem Ausweis und warum ich hier sei. Ich überlegte, ob ich ihm sagen sollte, dass ich hier sei, um die Atmosphäre kennen zu lernen und um mit den Leuten zu sprechen. Aber ich wusste, wenn ich das täte, würde es nur Ärger geben. Ich sagte ihm also, dass ich gerade aus den USA gekommen sei und einfach nur ein Bier trinken wolle. Darauf sagte er, das es doch nicht anginge, das ein Doktor sein Bier trinken wolle. Er forderte mich auf, doch bitte schön in ein Fünf-Sterne-Hotel zu gehen. Ich aber bestand darauf, auch in diesen Bars mein Bier trinken zu dürfen. Irgendwann akzeptierte er, und so lernte ich nach und nach bei Razzien alle Polizisten kennen. Nach einer Weile grüßten Sie mich und riefen nur noch, Hi Doktor, wie geht’s, und ließen mich in Ruhe. Ich beschreibe also nur solche Orte, die ich wirklich kenne.”

Dass Al-Aswani dies in seinem Roman meisterhaft gelungen ist, steht außer Frage. Der “Jakubijân-Bau” ist sicherlich der eindrucksvollste ägyptische Roman der vergangenen Jahre. Anders als die symbolgeladenen Romane eines Sonallah Ibrahim oder die als Parabel angelegten Romane Gamal al-Ghitanis zeichnet Al-Aswani mit sprachliche Leichtigkeit ein so eindrücklich verzweifeltes Bild der städtischen ägyptischen Gesellschaft, das es zuweilen so scheint, als schreibe er die in Kairo überall erfahrbare korrupte Wirklichkeit einfach ab. Dabei fehlt es dem weder an Tiefenschärfe, noch ist es notwendig, wie in der deutschen Ausgabe geschehen, gleich einem Theaterstück, die wichtigsten Personen des Romans vorab zu beschreiben. Al-Aswanis Roman, hervorragend übersetzt von Hartmut Fähndrich, ist ein fesselndes Stück arabischer Gegenwartsliteratur. (Christoph Burgmer, Deutschlandfunk, 15.03.2007)

Das SchwuR präsentiert die Romanverfilmung von Marwan Hamed (Omaret yakobean) am Samstag, den 17. Januar 2009, 20 h, in Zusammenarbeit mit dem AStA-Referat für Internationalismus im Filmhaus in der August-Bebel-Straße (Altes Lichtwerk).

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