Mittwoch, 06.04.2016, 20 h

Herr von Bohlen, Deutschland 2015, 90 Min., Regie: André Schäfer, mit Arnd Klawitter als Arndt von Bohlen

Filmhaus Bielefeld
August-Bebel-Str. 94,
StadtBahn Rathaus, August-Schroeder-Str.

Eintritt: 5,00 €

bohlen500

Er war der funkelnde Saphir in einer grauen Dynastie – Arndt von Bohlen und Halbach, der letzte Krupp. Liebstes Hassobjekt der deutschen Nachkriegspresse. Vom Vater und dessen Handlangern zum Verzicht auf das Familienerbe gedrängt, führte er ein Märchenleben zwischen Sylt, Marrakesch, dem Salzburger Land und Palm Beach, teuren Familiensitzen, um deren Unterhalt er sich kümmern musste. Ein Bittsteller, verlacht als “reichster Frührentner Deutschlands”. Ein schwuler Paradiesvogel, der das Licht der Öffentlichkeit brauchte. Weich wie Watte statt hart wie Kruppstahl? Der letzte Krupp tanzte aus der Reihe – aber wenigstens tanzte mal einer.

André Schäfer (DEUTSCHBODEN) erzählt die Geschichte des letzten Sprosses einer belasteten Familie, der diesem Land einfach zu viel war. HERR VON BOHLEN lässt wichtige Zeitgenossen und Freunde zu Wort kommen und verwischt die Grenze zum Fiktionalen, wenn ein Reporter Arndt von Bohlen (Arnd Klawitter) in einer inszenierten Reise Ende der 1970er Jahre an die bedeutenden Orte seines Lebens begleitet.

Kritik:

„Ich mag Lidstrich an mir.“ Der Mann, der das sagt, hüllt sich gern in Pelz und edle Geschmeide, raucht in einer Tour und hat immer einen Martini in Reichweite. Er ist der letzte Spross einer deutschen Unternehmerdynastie, deren Name so hart klingt wie die hauseigene Stahl- und Rüstungsproduktion: Krupp. Doch Arndt von Bohlen und Halbach ist ein Krupp, der aus der Reihe tanzt. Der Nachkomme des Stahlkonzerns sei eher „weich wie Watte“, lästert die Boulevardpresse der Nachkriegszeit. Die Klatschblätter schimpfen ihn Taugenichts und den reichsten Frührentner Deutschlands. Vater Alfried Krupp von Bohlen und Halbach, Fördermitglied der SS und im Nürnberger Kriegsverbrecherprozess unter anderem wegen des Einsatzes von Zwangsarbeitern verurteilt, hat sich unter einem standesgemäßen Erben sicher etwas anderes vorgestellt. Und auch der homosexuelle Arndt wurde nicht glücklich mit seiner Familiengeschichte. Dass er die einst von Hitler so protegierte Firma Krupp einmal übernehmen würde: undenkbar.

André Schäfer widmet sich in seiner Filmbiografie einer Persönlichkeit, die aus dem Nachkriegsmief herausfällt. Dieser Herr von Bohlen feiert lieber Partys in Marrakesch und Saint-Tropez, umgibt sich mit jungen Männern, Rockstars und Modeschöpfern, als dass er sein gründlich belastetes Erbe antritt. Das heißt aber auch: Arndt von Bohlen und Halbach verzichtet auf eine Erbschaft von ungefähr drei Milliarden D-Mark. Stattdessen lässt er sich auf einen krummen Handel ein, der ihn zeit seines Lebens zum Bittsteller macht. Wenn auch zu einem reichlich privilegierten.

„Herr von Bohlen“ präsentiert diese immer leicht melancholisch getönte Biografie als Mix aus Spielszenen, historischem Dokumentarmaterial und Interviews mit Menschen, die den schillernden Krupp-Nachkömmling schätzen. Enge Freunde mag man sie trotzdem nicht nennen. Der verspielte, offene Stil tut dem Film gut. Und Arnd Klawitter bei seiner Verwandlung in Herrn von Bohlen zuzusehen ist eine Pracht. Eine wehmutsvoll glitzernde.

kittyhawk in “Siegessäule”, Berlin